1 Jahr Protestbündnis „Heizung, Brot und Frieden" in Berlin – Diskussionsveranstaltung und Feier

Alexander King

Vor 1 Jahr trat unser Protestbündnis erstmals an die Öffentlichkeit: mit einer Kundgebung vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen. Der Ort hätte nicht besser gewählt sein können, um unsere Kritik an fehlenden diplomatischen Anstrengungen zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine, an eskalierenden Waffenlieferungen und Aufrüstung und an der Sanktionspolitik zu platzieren. Die Grünen stellen schließlich die Außenministerin und den Wirtschaftsminister.

Doch es erwies sich: Gegen die Grünen zu protestieren, war eine ungeheure Provokation. Ein Sakrileg. Die Presse war empört, so etwas tut man einfach nicht. Ich wurde mehrmals darauf angesprochen. Auch in der Linken fanden das viele unerhört.

Die Kundgebung kann als Erfolg gelten. Trotz der kurzen Mobilisierungsphase von nur wenigen Tagen kamen rund 1000 Leute. Die Linke hatte sich nicht beteiligt und gehörigen Druck auf Teile unseres Bündnisses ausgeübt. Nach der Kundgebung sprangen etliche Partner ab und gründeten neue Bündnisse, die allerdings nicht lange durchhielten.

Wir haben die volle Ladung abbekommen: Unserem Bündnis wurde vorgeworfen, zu Wagenknecht-nah zu sein, zu Russland-freundlich, natürlich rechts-offen, schwurblerisch, das übliche eben.

Ein Aufreger für die Linksliberalen war, dass auf unseren Kundgebungen die Sanktionspolitik der Bundesregierung kritisiert wurde. Was heute jeder weiß, nämlich dass die Sanktionen gegen Russland nicht wirken und sogar negativ auf Deutschland zurückschlagen, war damals in weiten Kreisen der Linken tabu.

Zur selben Zeit hatte Sahra Wagenknecht ihre großartige Rede im Bundestag gehalten. Sie hat den Wirtschaftskrieg gegen Russland kritisiert und die Bundesregierung als dümmste Regierung Europas bezeichnet. Wagenknecht durfte seither keine Reden für die Linke mehr halten. Von einer Kundgebung der Linken in Leipzig wurde sie sogar ausgeladen.

Auch wenn das Bündnis in Folge der Spaltungsbemühungen und Diffamierungen kleiner wurde, hat es sich als zäher erwiesen als die diversen Gegenbündnisse. Es hat sein inhaltliches Profil geschärft und in der Protestlandschaft Berlins einen Unterschied ausgemacht. Eine Demo mit 1400 Teilnehmern folgte im Oktober, eine gut besuchte Diskussionsveranstaltung im BAIZ und kleinere Kiez-Aktionen in Spandau und Lichtenberg.

Es entzündete sich aber kein heißer Herbst. Wir haben ihn nicht entzündet und erst recht nicht die diversen Gegenbündnisse. Das hat mehrere Gründe:

Die beschriebene Spaltung des Protestes und die Diffamierung unserer Aktionen durch die Linke, Teile der Gewerkschaften, sogenannte Antifa etc. hat sicher eine Rolle gespielt.

Es war aber auch so, dass sich einige Negativtendenzen als eher langwierig erwiesen haben. Die Gasspeicher waren zunächst gut gefüllt. Die Energieversorgung war gewährleistet, wenn auch enorm teuer. Das Nachsehen hatten eher die Menschen in den Ländern des Südens, denen die deutschen Importeure mit Rückendeckung der Bundesregierung das LNG zu Mondpreisen vor der Nase weggekauft haben.

Die Bundesregierung hat Hunderte Milliarden investiert in die Abfederung der schlimmsten Sanktionsfolgen, die Energiepreisbremse, Strompreisbremse, die Rettung der Energieimporteure und Zwischenhändler. Geld spielte keine Rolle. Das hat die Wut zwar nicht gedämpft, aber die Zuspitzung auf bestimmte Punkte verhindert.

Stattdessen kam die Wut schleichend. Von dieser Wut, die keinen Ausdruck in Protest auf der Straße findet, profitiert die AfD. Sie wird sich vor allem in Wahlergebnissen ausdrücken. Dass sie den Ausdruck auf der Straße nicht gefunden hat, haben wir auch denjenigen zu verdanken, die jeden Protest von vornherein als rechts diffamiert haben.

Die Bundesregierung konnte die Marktgesetze aber auch mit noch so viel Geld nicht vollständig außer Kraft setzen. Immer deutlicher brechen sie durch in Form der Inflation und einer drohenden De-Industrialisierung. Die Wirtschaft wird in diesem Jahr um 0,5 Prozent schrumpfen. Industrielle Bereiche sind besonders betroffen, etwa die chemische Industrie mit einem Minus von 16,5 Prozent (ohne Pharma).

Investitionen in energieintensiven Bereichen werden in andere Länder verlagert, die Arbeitsplätze werden folgen, man spricht von über 2 Millionen Arbeitsplätzen, die gefährdet sind. Der Wirtschaftsminister tut das als „German Angst" ab. Die Außenministerin ist zwar enttäuscht, dass die Sanktionen nicht in Russland wirken, es folgen aber keine Konsequenzen aus dieser Einsicht.

Zusätzlich zur Belastung durch die Inflation, die vor allem Energie und Lebensmittel betrifft, werden die Leute durch die Klimapolitik der Bundesregierung belastet. Das Heizungsgesetz wird viele Familien, aber auch die Kommunen teuer zu stehen kommen. Und die beschleunigte Verteuerung der CO2-Bepreisung natürlich auch. Damit sollen die Leute quasi erpresst werden, sich doch eine Wärmepumpe anzuschaffen.

Die Wut ist also da. Sie findet aber nicht auf die Straße. Und sie wird noch nicht wirkungsvoll von links angesprochen. Ich hoffe umso mehr, dass das Bündnis zusammenbleibt. Denn es wäre wichtig, die stille Wut in lauten Protest umzulenken. Und die Gründe, warum wir uns als Bündnis gegründet haben, sind ja noch da:

Immer weiter erhöht die Bundesregierung die Gefahr, dass Deutschland in den Ukraine-Krieg hineingezogen wird. Anstatt sich um ein Ende des Krieges zu bemühen.

Die 100 Milliarden Sonderschulden für die Bundeswehr sind offenbar ausgegeben bzw. verplant. Schon wird ein neues Paket geschnürt, das noch größer sein soll. Gleichzeitig zeigt der aktuelle Haushaltsentwurf, wo überall gespart werden soll:

Investitionen in Bildung, Gesundheit, Soziales, Armutsbekämpfung, Verkehrswege oder bezahlbaren Wohnraum bleiben aus.

Eine vernünftige Wirtschaftspolitik, die gute Standortbedingungen schafft und die Kaufkraft in Deutschland stabilisiert: ebenfalls absolute Fehlanzeige. Stattdessen wird konzeptlos, aber teuer mit Subventionen für Weltkonzerne um sich geworfen. Die Preise bleiben hoch und drücken auf die Einkommen und die Kaufkraft. Armut und Armutsgefährdung nehmen zu.

Es gibt also keinen Grund, im Protest nachzulassen, aber sehr viele Gründe, diesen Protest zielführender, wirkungsvoller, mächtiger zu gestalten. Das ist die Denksportaufgabe für uns alle.