Die Lehren aus den Fehlentwicklungen

Alexander King

Wie soll es mit dem RBB weitergehen? Alexander King plädiert für Gehaltsobergrenzen, mehr Transparenz und die Einbeziehung des Publikums

 

Gastbeitrag von Alexander King, erschienen in der Morgenpost

2022 ist der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in schwere Turbulenzen geraten. Wie soll es mit dem öffentlich-rechtlichen Medienhaus weitergehen? In unserer Serie beleuchten wir in loser Folge den Reformbedarf des Senders. Heute: Alexander King, medienpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Die Vorgänge an der Spitze des RBB haben für viel Verdruss gesorgt bei denen, die den Rundfunk bezahlen: den Zuschauern und Zuhörern. Und bei denen, die ihn erstellen, den Mitarbeitern, freien und festen. Berlin und Brandenburg wurden zum Epizentrum einer Vertrauenskrise, die den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland erfasste. Die Aufgabe der Politik ist es sicher nicht, diesen Verdruss noch anzufachen. Vielmehr sollte es unser Anspruch sein, die Beitragszahler wieder von der Bedeutung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks für ein demokratisches Gemeinwesen zu überzeugen.

Dabei reicht es nicht, diese ständig zu beschwören und als Glaubenssatz vor sich herzutragen. Die Lehren aus den Fehlentwicklungen müssen konkret gezogen werden und für die Beitragszahler sichtbar sein. Da passt es gut, dass derzeit ein neuer RBB-Staatsvertrag in Berlin und Brandenburg ausgehandelt wird. Dazu kommt: Endlich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk Gegenstand einer breiten öffentlichen Debatte. Insofern ist die Krise auch eine Chance. Ich möchte folgende Punkte in diese Debatte einbringen:

Als die Jahresbezüge der RBB-Intendantin auf weit über 300.000 Euro geschraubt, außertarifliche Verträge für Spitzenkräfte mit üppigen Boni und Ruhegeldregelungen ausstaffiert und per SMS Beförderungen angeregt wurden, als die Kosten für das Prestigeprojekt Digitales Medienhaus in die Höhe schossen und fragwürdige Beraterverträge abgeschlossen wurden, hat vermutlich niemand an diejenigen gedacht, die die Party bezahlen. Eine neue Kultur der Demut und Bescheidenheit ist also gefragt. Diese Einsicht scheint Raum zu greifen, aber sie muss mit neuen Verfahren und Regeln untermauert werden.

Die Annahme, dass die höchsten Gehälter die besten Leute anlocken, kann getrost für überholt gelten. Die Erfahrungen haben uns eines Besseren belehrt, wie überall, wo öffentliche Unternehmen meinten, bei den Spitzengehältern in die Vollen gehen zu müssen, um mit der Privatwirtschaft um die „fähigsten Köpfe" konkurrieren zu können.

Wir brauchen stattdessen einen Mechanismus, der sich an den Tabellen im öffentlichen Dienst orientiert, ohne Boni und üppige Ruhegelder, dafür mit der Festlegung von vernünftigen Gehaltsobergrenzen an der Spitze des Senders. Das sollte im Staatsvertrag geregelt werden.

Die Beitragszahler haben den Anspruch auf vollständige Ausgabentransparenz über Euro und Cent. Das gehört in den novellierten Staatsvertrag ebenso wie klare Verhaltensregeln, die für alle, also auch die Leitung, gelten. Damit die Kontrolle der Intendanz und der Geschäftsführung durch Revision, Compliance-Beauftragte und die Gremien effizienter wird, müssen alle Kontrollinstanzen maximal unabhängig und personell gut ausgestattet sein. Bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrats müssen die zur Ausübung der Kontrollfunktion notwendigen Qualifikationen abgedeckt werden.

Vertrauen in die Urteilsfähigkeit der Zuschauer und Zuhörer ist eine Grundvoraussetzung dafür, umgekehrt auch ihr Vertrauen wieder zu erhalten. Ich bin dafür, das Publikum viel mehr einzubeziehen, Anregungen und Kritik aktiv einzuholen und dafür passende Formate zu entwickeln. Im Gespräch sind beispielsweise geloste Publikumsbeiräte. Diese Idee unterstütze ich.

Der RBB und alle öffentlich-rechtlichen Sender brauchen diesen Input. Nicht um sich von populären Stimmungen treiben zu lassen, aber um zu verhindern, dass die Kluft zwischen den Medienmachern und ihrem Publikum größer wird. Und um sicherzustellen, dass der öffentliche Rundfunk Zusammenhänge so beschreibt und gesellschaftlich relevante Debatten so führt, dass sie jedem zugänglich sind. Entscheidend für die breite Akzeptanz wird dabei auch sein, dass die regionale Verankerung, das große Plus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, beim RBB erhalten und ausgebaut wird.

Der Auftrag zur Unterhaltung steht häufig im Fadenkreuz der Rundfunk-Kritik. Ich sehe es anders: Auch in Filmen und Serien findet Auseinandersetzung mit unserer Kultur und ihrer Weiterentwicklung sowie mit gesellschaftlichen Konflikten statt. Und ihre Produktion ist ein bedeutender regionaler Wirtschaftsfaktor.

Insgesamt darf der Sparkurs, der jetzt im RBB angekündigt wurde, nicht zulasten von Programm und damit der (vor allem freien) Mitarbeiter gehen. Die Gefahr ist groß, dass ein solcher Weg direkt in eine Abwärtsspirale führt und letztlich mit Verlusten an Qualität und Quote endet. Was auf keinen Fall passieren darf: dass die Fehler, die sich beim RBB aufgetürmt haben, auf Kosten der Mitarbeiter korrigiert werden. Im derzeitigen Ringen um Gehälter und Tarife beim RBB, mit kläglichen „Angeboten" der Arbeitgeberseite, unterstütze ich die Position der Mitarbeiter. Sie sind nicht schuld an der Krise und dürfen jetzt nicht die Gelackmeierten sein.

Eine Antwort auf die Vertrauenskrise muss auch sein, dass die Mitbestimmung der Belegschaften gestärkt wird. Dazu gibt es gute Vorschläge von Verdi, dem Deutschen Journalisten-Verband, dem Personalrat und der Freienvertretung, die bei der Novellierung des Staatsvertrags unbedingt berücksichtigt werden müssen.

Das geht über die Aufnahme der festen Freien in die Vertretung durch den Personalrat, die bereits verabredet ist, hinaus und betrifft beispielsweise die stärkere Vertretung in den Aufsichtsgremien und die Festlegung zusätzlicher Mitbestimmungsbereiche bis hin zur Mitwirkung an Personalentscheidungen an der Spitze.

Die Politik hat sich nicht in die Inhalte der Medien einzumischen. Das gilt auch und erst recht für den öffentlichen Rundfunk. Aber sie kann und sollte dazu beitragen, dass wir ein gesellschaftliches Umfeld schaffen ohne Konformitätsdruck, in dem Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt gefördert werden. Das ist ein Auftrag an uns alle.

Zum Artikel in der Morgenpost